Wer kam in unsere Welt? Diese Frage ist für uns Christen klar und eindeutig beantwortet. Der „Familienstand“ von Maria und Joseph (verlobt, „vertraut“, verheiratet?) jedoch wirft Fragen auf, die nicht so leicht zu beantworten sind. Eine pakistanische Hochzeit, zu der ich im Sommer 2007 geladen war, hat mir einige Aufschlüsse vermittelt, die ich gerne nachstehend weitergebe:
In Lukas 1,27 lesen wir von Maria als einer Jungfrau, die mit einem Mann namens Joseph verlobt war. Das war und ist etwas ganz Übliches. Die Lutherübersetzung (auch die revidierte Fassung von 1984) spricht im Gegensatz zu den meisten Übersetzungen allerdings von „vertraut“ („…die vertraut war einem Mann mit Namen Josef“). Das klingt schon nach einer Stufe mehr als verlobt – kann man aber schon an „verheiratet“ denken? Das hier und unter anderem auch in Lukas 2,5 stehende griechische Wort hilft nicht wirklich weiter, denn es umfasst das Spektrum von der Brautwerbung bis zur Heirat. Im Deutschen haben wir hierfür das Wort „freien“, das als Übersetzungsbegriff jedoch untauglich ist, und so geht die Suche weiter. In Matthäus 1,20 hört Josef im Traum aus Engelmund die Worte „Fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen“.
Im Deutschen steht „Frau“ sowohl für eine Angehörige des weiblichen Geschlechts als auch für Ehefrau, und im Griechischen ist es nicht anders. Was also jetzt? Tatsache ist, dass sie noch nicht ehelich zusammengekommen waren (Matthäus 1,18).
Ehe ich mehr zur Verwirrung als zur Aufhellung beitrage, möchte ich von der obengenannten pakistanischen Hochzeitsfeier berichten. Es war allerdings eine Feier ohne Trauung, denn diese – nach dem Ahmadiya-Ritus – hatte bereits einige Monate zuvor stattgefunden. Obwohl die jungen Leute damit als Mann und Frau galten, lebten sie – wie seinerzeit Josef und Maria – noch nicht als Eheleute zusammen. Der junge Mann wohnte weiterhin bei seinen Eltern in Hessen, die junge Frau in Süddeutschland. Mit der zweitägigen Hochzeitsfeier (am ersten Tag am Wohnort der Braut, am zweiten Tag am Wohnort des Bräutigams) wurde die Eheschließung „öffentlich“, um am Ende der beiden Tage in das „Zusammenkommen“ einzumünden.
Dieser Einblick in die pakistanische Eheschließungskultur ist für das Verständnis des damaligen Familienstands von Josef und Maria bis zur Zeit nach der Geburt Jesu gewiss hilfreich. Ein passender Übersetzungsbegriff ist damit allerdings noch nicht gefunden. In Gesprächen mit meinen pakistanischen Freunde (den Eltern des Bräutigams) versuche ich mit ihrer Hilfe den entsprechenden Begriff der in Pakistan gesprochenen Urdu-Sprache auf seine inhaltliche Bedeutung abzuklopfen, um möglicherweise einem passenden deutschen Begriff auf die Spur zu kommen.
Leserbrief im Magazin factum 2/2008
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