| Jonas mit den Gummistiefeln
Eigentlich hätte Jonas sehr glücklich sein können - eigentlich. Doch eines fehlte ihm noch zu seinem Glück: jemand, mit dem er Fußball spielen konnte. Fußball war seine große Leidenschaft, und wenn Papa und er samstags gemeinsam die Sportschau ansahen, war das für ihn das Größte. Papa hatte sein altes Dortmund-Käppi auf und Jonas sein Schalke-T-Shirt an. Mindestens zweimal im Jahr trafen diese Mannschaften sogar aufeinander.
Dann tippten Papa und er das Ergebnis, und wer verlor, musste dem anderen einen Wunsch erfüllen. Papa wählte dann natürlich immer etwas, was auch Jonas gefiel, denn: "Wenn du dich freust, ist das meine Freude", sagte er. Da Papa in der Woche wenig Zeit hatte, wünschte Jonas sich fast immer, mit ihm am Wochenende zum Sportplatz zu fahren, damit sie beide dort zwei Stunden miteinander bolzen konnten.. Mittlerweile war Jonas so gut, dass Papa ihm versprochen hatte, ihn so schnell wie möglich in der F-Jugend des Dorfvereins anzumelden. "Ein echter Straßenfußballer ist der Junge", sagte er zu Mama. Und selbst Mama, die Fußball nicht gerade begeisterte, war so nett gewesen, ihm einen Ball aus Stoff zu nähen, mit dem er im Flur von einer Tür zur anderen den kompletten Bundesligaspieltag nachspielen konnte. Dabei kam Jonas immer gehörig aus der Puste, denn zwei Mannschaften zu spielen und gleichzeitig das komplette Spiel - wie im Fernsehen - zu kommentieren, das war nicht einfach. Leider spielte in seiner Straße kein Kind Fußball, nicht einmal sein bester Freund Tim. Dessen Vater hatte gesagt, Fußball sei ein Proletensport. Beide wussten nicht so recht, was das hieß, aber es schien eindeutig schlecht zu sein, und Schlechtes musste man nicht auch noch näher erklärt bekommen. Die meisten anderen Kinder der Straße, die er bis jetzt kennengelernt hatte, spielten Badminton oder Tennis oder schwammen, doch kein Fußballer war dabei, auch keine Fußballerin, was wohl auch so oft nicht vorkam. Deshalb spielte Jonas meistens allein mit seinem Ball, den er vor zwei Jahren zu Weihnachten bekommen hatte. Fast eine halbe Stunde versuchte Jonas nun bereits, den Ball aus kurzer Entfernung so oft wie möglich immer wieder an die Wand zu spielen, ohne dass er den Boden berührte. Kopf, Bumm, Knie, Bumm, Fuß, Bumm …Einundvierzig Mal war sein Rekord, da öffnete sich plötzlich ein Fenster und Mama rief: "Jonas, ich werde noch wahnsinnig, das ewige Bumm, Bumm, Bumm dröhnt durchs ganze Haus! Kannst du wohl auf den Bolzplatz gehen?"
Na gut, dachte Jonas, dann werde ich halt kein Bundesligastar und kaufe dir später keine neue Spülmaschine. "Die Spülmaschine macht's nicht mehr lange", hatte Mama kürzlich gesagt und "Im Moment fehlte uns das gerade noch!" Er zog sich seine Gummistiefel an und machte sich auf den Weg zum Ententeich, der im Uferbereich sehr flach war, um kleine Wassertiere zu beobachten. "Ich bin ein wenig zum Ententeich", rief Jonas seiner Mutter zu. Jonas hatte von seinen Eltern die Erlaubnis, sich im Dorf frei zu bewegen, doch musste er immer seinen genauen Aufenthaltsort oder sein Ziel angeben. Auf dem Weg zum Teich kam er am Bolzplatz mitten im Dorf vorbei, auf dem neun Jungs in seinem Alter Fußball spielten. Jonas Herz fing aufgeregt an zu pochen. Vielleicht konnte er ja ein wenig mitkicken? Gerade wurden zwei neue Mannschaften gewählt. Jonas nahm allen Mut zusammen und fragte, ob er mitspielen dürfe. "Mit Gummistiefeln?", fragte der größte der Jungen. Jonas nickte mit rotem Kopf. "Von mir aus", sagte der Junge, "eine Mannschaft hat sowieso einen Spieler zu wenig." Dann begannen er und ein anderer im Wechsel Fuß vor Fuß zu setzen und aus einiger Entfernung aufeinander zuzugehen. "Tipp - Topp", sagten sie im Wechselspiel. Derjenige, der als Letzter seinen ganzen Fuß zwischen die Lücke bekam, durfte wählen. Abwechselnd suchten sich die beiden Jungen nun die Mitspieler aus. Zuletzt war nur noch Jonas übrig. "Na gut", sagte der vorlaute Typ, "dann muss ich dich wohl nehmen. Wie heißt du eigentlich?" "Ich bin Jonas", antwortete Jonas. "Okay, Jonas mit den Gummistiefeln, dann zeig mal, was du kannst!" Und dann gingen den Jungen die Augen über. Jonas dribbelte, trickste und schoss aus allen Rohren. 9:7 gewann seine Mannschaft, und Jonas hatte nicht nur drei Tore geschossen, sondern auch noch zwei tolle Vorlagen gegeben und das mit Gummistiefeln…Als die Familie beim Abendessen saß, klingelte das Telefon, und Papa führte ein langes Gespräch.
"Das war ein Herr Wuttke, der Trainer der F-Jugend. Er hat gefragt, ob wir einen Jungen haben, der Jonas heißt und der schon mit Gummistiefeln ein sehr guter Fußballer sei, wie ihm sein Sohn erzählt habe, und ob der eventuell Lust hätte, in der F-Jugend mitzuspielen", sagte Papa stolz. Natürlich wollte Jonas das! Und als er abends im Bett lag, hatte er ein so freudiges Kribbeln im Bauch, dass er die Kirchturmuhr elfmal schlagen hörte, weil er vor Aufregung nicht einschlafen konnte.
Autor: Hans-Georg Wigge
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